Koppen

Koppen - Was ist das? Das Wort Koppen beschreibt eine Verhaltensstörung bei Pferden, welche aber auch bei anderem Großvieh vorkommt, zum Beispiel Kühen. Das Pferd wird als Kopper oder Krippensetzer bezeichnet. Beim Koppen spannt das Pferd die Unterhalsmuskulatur an, öffnet dadurch den Schlundkopf, wodurch dann Luft in die Speiseröhre einströmt (wovon allerdings 98% wieder entweicht). Dabei entsteht zumeist ein deutlich hörbares Geräusch, das ein wenig wie Rülpsen klingt.

Man unterscheidet zwei Arten von Koppern, die Aufsetzkopper und die Freikopper. Ein Aufsetzkopper setzt mit seinen oberen Schneidezähnen auf geeigneten Gegenständen auf, z. B. Futterkrippen/-trögen, Heuraufen, Zaunpfosten, in seltenen Fällen sogar auf anderen Pferden, und nutzt diese dann, um seine Hals- und Rückenmuskulatur anzuspannen und zu koppen. Ein Freikopper hingegen hat gelernt die Halsmuskulatur auch ohne mechanisches Aufsetzen anzuspannen und zu koppen. Diese beiden Videos zeigen einen typischen Aufsetzkopper, die häufigste Form des Koppens.






Das Koppen führt auf lange Sicht gesehen bei vielen Aufsetzkoppern zur Abnutzung der oberen Schneidezähne. In welchem Ausmaß und in welcher Geschwindigkeit das geschieht, hängt allerdings davon ab, wie viel und wie stark ein Pferd koppt und welche Gegenstände es zum Aufsetzen benutzt.

Wiederum abhängig von Ausmaß, Art und Häufigkeit des Koppens entwickeln manche Kopper eine ausgeprägte Unterhalsmuskulatur und neigen zu Verspannungen im Nacken- und Halsbereich.

Koppern wird nachgesagt, dass sie häufiger aufgasen, Koliken haben und an Magen-/Darmproblemen leiden als anderer Pferde, da sie `Luft im Bauch` hätten. Diese Aussage ist so jedoch nicht richtig bzw. die Zusammenhänge sind falsch interpretiert. Zum einen entströmt nahezu 100% der eingesaugten Luft wieder, die Pferde haben also keine Luft im Bauch, zum anderen waren die Magen-/Darmprobleme in aller Regel die Ursache des Koppens und nicht andersherum. Das Koppen zu Magen- und Darmproblemen führen kann, möchten wir an dieser Stelle jedoch nicht komplett ausschließen, glauben aber, dass es eher eine Ausnahme als der Regel entspricht. Aber dazu später mehr.

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Ursachen - Was veranlasst Pferde mit dem Koppen zu beginnen? Was bei einem Pferd zum Koppen führte, kann man meist nur vermuten. Einfacher ist die Ursachenforschung, wenn das koppende Pferd von Geburt an im eigenen Besitz war, schwieriger, wenn man einen Kopper gekauft hat und seine Vorgeschichte nicht kennt.  Egal um welche Gründe es sich dabei handelt, fast alle führen bei genauerer Betrachtung zu der Erkenntnis, dass ein Pferd zu einem bestimmten Zeitpunkt körperlichen oder seelischen Stress erfahren hat, der als Folge vermutlich zu Magen- und Darmprobleme führte.


Körperlicher Stress kann ausgelöst durch...

  • zu wenig oder schlechtes Raufutter/Heu 
  • falsches Raufutter: Silage oder Heulage
  • zu viel Kraftfutter bzw. zu große Einzelportionen
  • falsches Kraftfutter (extrem melassehaltig, stärkehaltig, ...) 
  • zu lange Fresspausen 
  • Verletzungen oder Krankheit

Seelischer/psychischer Stress kann ausgelöst werden durch... 

  • falsches oder zu frühes Absetzen im Fohlenalter 
  • Trainingsstress (Unter- und Überforderung) 
  • Reisestress oder Tunierstress (ständig wechselnde Orte, Anspannung, ...) 
  • Haltungsfehler (Boxenhaltung ohne Weidegang, zu große Herden, zu wenig Platz im Offenstall, ...) 
  • andere psychische Traumata

Der durch das Pferd empfundene Stress führt, wie beim Menschen auch, zu Magen- und Darmproblemen, also Magengeschwüren, Reizungen des Darms oder Koliken. Ein Magengeschwür kann innerhalb von Stunden und Tagen entstehen und bleibt nicht selten unentdeckt, da ein Pferd nach außen keinerlei Schmerzreaktionen zeigt.



Warum entsteht daraus dann das Koppen? In der Regel beginnt ein Pferd zu koppen, um seine Speichelproduktion anzuregen und mit dem dabei produzierten und abgeschluckten Speichel die Magensäure zu puffern, die seine Magenschleimhäute angreift und für schmerzhafte Reizungen und Geschwüre sorgt. Speichel enthält Bicarbonat, einen natürlichen Gegenspieler der Magensäure. Auch wenn so ein Magengeschwür oder -reizung unter Umständen nur ein einziges Mal vorkommt, reicht das manchmal schon aus, um Koppen auszulösen. Das Koppen führt zunächst zu einer physiologischen Abhängigkeit, weil das Pferd  sich damit selbst Erleichterung verschafft, die dann in eine psychologische Abhängigkeit (Sucht) übergeht, weil es beim Koppen außerdem zur Ausschüttung von Dopamin (Glückshormon) kommt. Das erklärt, warum Pferde auch dann noch weiterkoppen, wenn die Ursache bereits beseitigt ist.

Warum werden dann nicht alle Pferde zu Koppern, die dieselben Haltungs-/ Fütterungsfehler/Stressfaktoren erleben? Einfach gesagt sind Kopper meistens Pferde, die körperlich oder seelisch besonders sensibel auf ihre Umwelt reagieren - mehr als ein Durchschnittspferd. Was ein anderes Pferd mit Leichtigkeit wegsteckt, bereitet sensiblen Tieren bereits Stress, was der Mensch aber meist nicht oder zu spät erkennt.


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Vorurteile - Was ist wirklich dran? Um Koppen rankt sich viel gefährliches Halbwissen, sogar unter Tierärzten. Daher tut man als Kopper-Besitzer gut daran, sich selbst zu informieren, damit man dem Pferd nicht schadet, weil man gut gemeinte Ratschläge des Stallbesitzers, des Tierarztes oder Dritter befolgt. Ein gute Lektüre, um nicht zu sagen Pflichtlektüre, ist das Buch von Dr. Tanja Romanazzi "Vom Kopper zum normalen Pferd", welches die Ursachen des Koppens ergründet, von Studien berichtet und Lösungsansätze vorschlägt. Außerdem kann man dem Halbwissen und Vorwürfen von Stallkollegen und Mitmenschen etwas entgegensetzen. Was also sind die gängigen Vorwürfe?
  1. Ein Kopper hat häufiger Koliken oder Magengeschwüre als andere Pferde: Jein! Viele Menschen, darunter Tierärzte, Futterhersteller, Stallbesitzer und andere Pferdebesitzer glauben, dass Kopper Magengeschwüre oder Koliken haben, weil sie Koppen, dabei Luft schlucken und deshalb aufgegast sind. Dabei verhält es sich normalerweise genau andersherum. In aller Regel beginnt ein Pferd zu koppen, weil es - aus welchen Gründen auch immer - (häufiger) zu Magen- und Darmprobleme neigt. Das Koppen ist daher die sichtbare Folge des nicht sichtbaren, stillen Leidens dieser Pferde. Ein Leiden, dass bei anderen Pferden unter Umständen unentdeckt bleibt, weil diese Pferde nicht koppen. Darüber hinaus entweicht nahezu 100% der eingesaugten Luft wieder.
  2. Pferde können sich das Koppen abschauen: Nein, dieses Gerücht ist völliger Unfug! Koppen ist eine Verhaltensstörung, die in der Natur nicht vorkommt, sondern nur bei Pferden in menschlicher Obhut. Warum Pferde zu koppen beginnen, wurde oben bereits ausführlich erläutert, soll aber hier noch einmal zur Erklärung herangezogen werden: Pferde entwickeln die Verhaltensstörung "Koppen" als Folge von seelischem oder körperlichem Leid, dass sie einmalig oder über längere Dauer erlebt haben. Wer ist in der Regel für dieses Leiden verantwortlich? Der Mensch! Er entscheidet über Haltung, Fütterung, Training und alle anderen Aspekte des pferdischen Lebens. Ein Wildpferd kann Dingen, die ihm körperliches oder seelisches Leid zufügen, in aller Regel aus dem Weg gehen oder sich diesen Situationen selbstbestimmt entziehen. Es hat keine Notwendigkeit dieses Fehlverhalten zu entwickeln, um sich selbst Erleichterung zu verschaffen. Dem "Haustier" Pferd ist das nicht möglich.

    Die Annahme, das Pferde sich Koppen abschauen können, ist unter Stallbesitzern und Züchtern trotzdem weit verbreitet - nahezu 50% dieser Personen glauben laut einer britischen Studie an die Aussage (1- McBride and Long 2001). Doch andere Studien zum Lernverhalten von Pferden haben gezeigt, dass die Fähigkeit zum Beobachtungslernen von Pferden sehr gering ausgeprägt ist.  (2 - Lindberg et al. (1999)

    Warum kommt es dann trotzdem zur Annahme, dass Koppen abschaubar sei? Warum kann es sein, dass sich in manchen Ställen das Auftreten von Koppern häuft, insbesondere in Rennställen, Reitschulen, Trainingsställen aber natürlich, wenn auch deutlich seltener, in privater Hand? Der Grund ist im Umfeld der Pferde zu suchen, das heißt in den Haltungsbedingen (häufig Boxenhaltung mit keinem oder wenig Freigang), Trainingsbedingungen (Überforderung, Stress, ...) und der Fütterung. Viele Großbetriebe werden den grundlegenden Bedürfnissen der Pferde nach Sozialkontakten, Bewegung und ausreichend Raufutter häufig nicht gerecht und fügen den Pferden damit körperliches und seelisches Leid zu.

    Bei Privatpferden in Pensionsställen könnte man nun meinen, dies träfe nicht zu. Schließlich kümmert sich doch jeder Besitzer bestens um sein Pferd und kann sich nicht erklären, warum das eigene Pferd zu koppen beginnt. Es kann ja nur das Kopper-Pferd schuld sein, das drei Boxen weiter steht! Dies ist jedoch nicht der Fall. Auch hier gilt es die Haltung, das Training und die Fütterung zu überprüfen, evtl. auch die Historie/Veränderungen der letzten Wochen. Hat das Pferd etwas erlebt, was es als traumatisch empfunden haben könnte? Die Ursache des Koppens liegt mit großer Wahrscheinlichkeit in einem dieser vier Bereiche.

  3. Koppen ist vererbbar: Tatsächlich kommt das Koppen in manchen Rassen (z. B. Vollblüter, mit ca. 13% die häufigste betroffene Rasse - 3: Albright et al., 2009) oder Zuchtlinien häufiger vor als in anderen. Das liegt allerdings nicht daran, dass das Koppen vererbt wird - denn Verhaltensstörungen sind nicht vererbbar - sondern vielmehr an der Vererbung charakterlicher Veranlagungen wie Erregbarkeit oder Sensibilität. Außerdem werden bestimmten Rassen häufiger im Reitsport oder im Reitschulbetrieb eingesetzt als andere und unterliegen damit wiederum den oben beschriebenen, auslösenden Faktoren.
Quelle:
1  Lindberg, A. C., A. Kelland, and C. J. Nicol. 1999. Effects of observational learning on acquisition of an operant response in horses. Applied Animal Behaviour Science 61:187-199. 
2  McBride, S. D. and D. Cuddeford. 2001. The putative welfare-reducing effects of preventing equine stereotypic behaviour. Animal Welfare 10:173-189.  
3  Albright, J. D., H. O. Mohammed, C. R. Heleski, C. L. Wickens, and K. A. Houpt. 2009. Crib-biting in US horses: Breed predispositions and owner perceptions of aetiology. Equine Vet. J. 41 (5):455-458. -